Geschichte 2


Ein Rückblick unseres Mitgliedes Richard Schulz:


Erinnern wir uns, im Mai 1945 ging der 2. Weltkrieg zu Ende. Aber die Auswirkung mit allen Problemen, die es damals gab, war auch 1947 nicht zu Ende. Die Gemeinde Lehre war innerhalb kürzester Zeit um einige hundert Bürgerinnen und Bürger größer geworden. Vertriebene und Flüchtlinge, aber auch die Heimischen, die nicht zu den Besitzenden und den Wohlhabenden gehörten, hatten unter dieser Zeit besonders zu leiden. Unter anderem war der Kampf ums tägliche Brot ihre große Sorge. Da gab es Männer hier im Ort, die sich zusammensetzten und Gedanken machten, wie man diese Probleme, wenn auch nicht lösen, aber doch verbessern konnte. So gesehen war die Gründung eines Kleingartenvereins keine fixe Idee am Biertisch, sondern praktisch aus der Not heraus geboren. Das Interesse an diesem Verein war natürlich sehr groß. In den Anfangsjahren belief sich die Mitgliederzahl zwischen 100 und 150. Wenn man davon ausgeht, dass man jedem dieser Mitglieder nur einige hundert Quadratmeter an die Hand gibt, dann waren eben nicht nur einige Morgen, sondern einige Hektar notwendig, um jedem ein Stückchen Land zur Verfügung zu stellen. Aber auch diese Gründungsväter gehörten nicht zu denen, die im Besitz von Landflächen waren. Man musste sich also an die hier im Ort ansässigen Bauern wenden, um für den Kleingärtnerverein ein paar Morgen oder sogar Hektar Land zu pachten. Und das war gar nicht so einfach, denn vergessen wir nicht - vor 50 Jahren war eine andere Zeit - und bei den Bauern war es eh und je so üblich, ihren Betrieb zu erweitern und nicht Land zu verpachten. Für den Vorstand war es nicht einfach, einige Bauern zu bewegen, dem Kleingärtnerverein Land zu verpachten. Schließlich wurde erreicht, dass 5 Bauern dem Verein Land zur Verfügung stellten. Der Verein war gegründet und der Vorstand verteilte nun die Parzellen (Grabeland) an die Mitglieder, die sich aus allen Schichten der Bevölkerung zusammensetzten. Unter den neuen Pächtern waren natürlich auch Menschen, die noch nie einen Spaten oder eine Hake in der Hand hatten. Wie sich die älteren erinnern können, wurden in erster Linie Kartoffeln angebaut, um die Familien satt zu bekommen. Aber auf seltsamen Wegen kam der Kartoffelkäfer. Er sowie andere Tiere holten sich einen Teil der Ernte. Anträge auf Zäune und Wasser wurden von den Mitgliedern gestellt, aber die Kassen waren leer.


In den 50er Jahren gaben dann die Landwirte Schrieber und Bartels dem Verein mit einem abgeschlossenen Pachtvertrag sein endgültiges zu Hause. 1958 erstellte der Wasserverband eine Wasserleitung nach Lehre. Ein Glücksfall für den Verein, da die Leitung direkt am Gartengelände vorbeiführte. Bei der Gemeinde wurde ein Antrag auf Anschluss gestellt und in einer Versammlung beschloss man, 250 m Wasserrohr und 3 Standrohre zu installieren. Abends, wenn alle gießen wollten, reichten die 3 Standleitungen natürlich nicht. Die einen hatten Wasser, die andern nicht. Zahlen sollten alle die damals 2 Mark Wassergeld. Es kam zum Streit, der nur durch das Eingreifen einiger Besonnener nicht zur Auflösung des Vereins führte. Daraufhin wurde das Wasserleitungsnetz erweitert und jeder bekam seinen eigenen Wasserhahn in den Garten. Einige Schlitzohren kamen nun auf die Idee, nachts ihre Gärten auf Kosten aller zu bewässern und daraus ergaben sich natürlich ständiger Streit. Auf einer Versammlung in den 70er Jahren flogen dann die Fetzen, als es um die Installation von Wasseruhren ging. Diese wurden dann aber eingebaut und endlich nach 20 Jahren waren die Streitigkeiten um das Wasser gelöst.


Der Wohlstand der Mitglieder und des Vereins wird langsam größer. Im Verein werden Zäune aufgestellt, ein Gartenhaus wird gebaut und nach und nach erweitert. Wege werden notwendigerweise befestigt und eines Tages haben wir sogar ein Biotop. In den Gärten werden die Lauben größer, die geharkten Stege werden mit Betonplatten belegt, Rasenflächen werden angelegt oder vergrößert und ich sage es mal mit meinen Worten, in einigen Gärten kann man Kinkerlitze sehen. Man hört überall "Kartoffeln und Bohnen kann ich mir bei Spar oder Aldi billig kaufen", der Wandel vom Nutz- zum Hobbygarten ist vollzogen. Das geht natürlich auch nicht ohne Arbeit.


Wir wollen natürlich auch an den "Erfinder" der Kleingärten, den leipziger Arzt Schreber denken. Er erlebte tagtäglich die schlechten Lebensbedingungen seiner Patienten. Aus diesem Grund setzte er bei der Stadt Leipzig durch, dass am Rande der Stadt Flächen zur Verfügung gestellt wurden, auf denen die Menschen sonntags an frischer Luft ihre Lebensbedingungen durch Anbau von Obst und Gemüse verbessern konnten.
Von 1860 bis heute haben sich natürlich die Bedingungen der Kleingärtner geändert, aber auch heute leisten wir Kleingärtner unseren Beitrag an der Erhaltung der Umwelt.


Der Spruch "Wer feste arbeitet, kann auch Feste feiern", hatte auch bei uns damals schon seine Richtigkeit. Beim Herbstvergnügen / Erntedankfest konnte man für ein paar Stunden die Sorgen vergessen. Bei uns damals war natürlich alles sehr einfach, aber wir hatten einen Grill und es wurde ein Schwein gegrillt, von dem jeder seinen Teil bekam. Es wurde gegessen und getrunken. Wie wir wissen, wurde beim Trinken gelegentlich übertrieben, aber das war schon immer so.
Heute sind alle satt und leider muss ich sagen, lässt das Interesse an unserem Fest nach. Vorstand und Festausschuss machen sich Gedanken und Mühe und dann kommt niemand. 
Gartenfreunde, es reicht nicht aus, bei jeder Gelegenheit den Mund weit aufzumachen und flotte Sprüche zu klopfen. Dabei sein und mitmachen, darauf kommt es an.


50 Jahre - fast ein Menschenleben - waren Frauen und Männer tätig und haben unseren Verein zu dem gemacht, was er heute ist. Ein Haus mit festen Fundamenten und massiven Mauern, ein Haus mit Fenstern und Türen, ein Haus mit einem Rasen, blühenden Blumen und Bäumen. Sorgen wir dafür, dass auch in den nächsten 50 Jahren das Haus erhalten bleibt und in unseren Gärten die Blumen blühen. Ich danke Ihnen.


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